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2023-02-28 14:42:50 By : Ms. Mark Ying

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von Wolfram Nagel, MDR KULTUR

Seit zwanzig Jahren öffnen europaweit Handwerksbetriebe zu den Europäischen Tagen des Kunsthandwerks ihre Türen. Auch in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen beteiligten sich wieder viele Kunsthandwerker- und Handwerkerinnen an der Aktion. Mit dabei war auch die Blaudruckerei Folprecht in Coswig bei Dresden. Das uralte Verfahren gehört seit 2018 zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO. Schon Lewy Strauss färbte im 19. Jahrhundert seine ersten Jeans mit dem Farbstoff Indigo.

Anlässlich der Europäischen Tage des Kunsthandwerks öffnet die Blaudruckerei Folprecht in Coswig bei Dresden ihre Türen. Ein Beitrag von Wolfram Nagel.

MDR KULTUR - Das Radio Sa 02.04.2022 06:00Uhr 04:10 min

Die Technik zur Veredelung von Baumwolle, Leinen, Batist und Seide stammt ursprünglich aus Indien. Aber auch sorbische Bäuerinnen nähten früher ihre Tracht aus Blaudruckstoffen. Aus ehemaligen  Blaudruckereien der Lausitz stammen auch die meisten der 250 Druckstöcke, die griffbereit in den Regalen der Coswiger Werkstatt liegen. Ein Schatz, sagt Inhaberin Heidi Folprecht-Pscheider: "Da sind sehr wertvolle Stücke dabei, die schon mehrere 100 Jahre alt sind. So können wir die alten Muster zum großen Teil auch heute noch drucken."

Messingstifte und Messing-Streifen ergeben Muster und Bilder. Einige Modelle hat der inzwischen verstorbene Formenstecher Ewald Drescher aus Pulsnitz nach historischen Vorlagen angefertigt. Früher war das ein eigener Berufszweig, der viel Erfahrung und künstlerisches Geschick erforderte. 

Auch der Druck selbst ist eine Kunst für sich. In einem kastenförmigen Becken befindet sich die Druckmasse. Das sogenannte Papp besteht aus Kaolin, Gummiarabikum, Kupfersulfat und Rüböl. Das Model wird gleichmäßig in den glatt ausgestrichenen Papp eingetunkt und auf den Stoff aufgedrückt, die Stoffbahn ist etwa acht Meter lang. Nach dem Druck bleibt sie noch ein bis zwei Wochen liegen, bis das Papp ausgehärtet ist.

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Heidi Folprecht-Pscheider hat das Blaudrucker-Handwerk 1985 für sich entdeckt. Damals arbeitete sie noch hauptberuflich als Lehrerin. Mit ihrem ersten Mann baute sie den kleinen Hof am Rande der Kleinstadt aus. Auf dem Boden fand sie eine alte Blaudruck-Schürze – ihre erste Inspiration. "Das war damals die Idee, was Schönes zu machen und was zu produzieren, was man gut verkaufen kann. So hat sich das entwickelt", so Folprecht-Pscheider.

Nebenbei lernte sie alles über die Blaudruckerei. Diese unterschied sich schon früher fundamental vom Farbdruck. Wohl etwas abwertend nannten Blaudrucker ihre Kollegen "Schönfärber". Dabei war die ursprüngliche Art Stoffe blau zu färben bis ins 18. Jahrhundert hinein eine ziemlich geruchsintensive Angelegenheit. Extrakt der Waidpflanze (satis tinctoria) oder Färberwaid wurde mit Urin vergoren. So entstand eine übelriechende, blauschäumende Flüssigkeit. Aber Geld stinkt ja bekanntlich nicht. Eines der größten Anbaugebiete von Waid war Thüringen. In sogenannten Waidhäusern wie in Görlitz wurde der Rohstoff gelagert. Pflanzen-Indigo aus Indien vermasselte den Waidbauern und -händlern dann ihr blühendes Geschäft.

Indigo ist ein dunkelblaues, wasserunlösliches Pulver. Der Großenhainer Ratsherr Barth versetzte es 1740 mit Schwefelsäure. So entstand das sog. "Sächsischblau". Ihr Indigo-Pulver stamme noch aus DDR-Zeiten, erzählt Kunsthandwerkerin Folprecht-Pscheider. Das kam aus Kasachstan und sei unverwüstliches pflanzliches Indigo. Dies bleiche beim Waschen nicht aus und könne über viele Jahre beispielsweise als Tischwäsche verwendet werden.

Gefärbt wird kalt, was bei anderen Farbstoffen nicht funktioniert. Allerdings muss das wasserunlösliche Pulver erst "verküpt" werden, durch Reduktion des Indigos mit Natriumhydrosulfit. Die sogenannte Stammküpe aus Indigofarbstoff, Hydrosulfit und Natronlauge wird mit viel Wasser verdünnt. Es entsteht eine hellgrüne, klare Flüssigkeit, erklärt der pensionierte Elektromeister Herbert Pscheider vor dem über 2 Meter tiefen brunnenartigen Becken: der Küpe.

Der Stoff wird eingetaucht und bleibt dann etwa fünf bis zehn Minuten in diesem Färbebad. "Wenn wir den wieder rausziehen, dann ist der hellgrün. Man kann dann zusehen, wie der Stoff allmählich blau wird. Wenn man das fünf- bis sechsmal wiederholt, bekommt man ein schönes, tiefes Dunkelblau", erklärt Pscheider. Das blaue Wunder.

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Verdünnte Zitronensäure wäscht den Papp aus Gummiarabikum wieder aus. Nach Spülungen in Seifenlauge und klarem Wasser beginnen die weißen Muster im Blaudruck zu leuchten. Dann könne man es laut Pscheider auf eine lange Leine in die Sonne zum Trocknen hängen. Oft würden sie dann noch ein Foto machen, weil es so schön aussehe. Schließlich könne man es abnehmen, zerschneiden, vernähen und verkaufen.

Gerade an Wochenenden oder solchen Tagen des Kunsthandwerks kommen viele Besucher, um sich in der Blaudruckerei umzuschauen, auch um das eine oder andere Stück zu erwerben. Ganz billig sind all die Tischgarnituren, Kissenbezüge oder die Meterware nicht. Dennoch sind die Leute begeistert. Das sei schließlich Handarbeit vom Feinsten und das habe seinen Preis.

Eine sorbische Blaudruckschürze kostet fast 400 Euro – aber deren Herstellung sei auch sehr aufwändig, sagt Herbert Pscheider. Mindestens zwei Tage brauche er allein für den Druck. Es sei eine ganz besondere Technik, bei der ein Doppelblau mit Füllmustern und Bordüren hergestellt werden müsse. Die Rückseite sei ebenfalls bedruckt, da es sich um Wendeschürzen handele. Deswegen lasse ein Verein und ein Trachtenhaus auch Schürzen bei ihnen anfertigen.

Gedruckt werden die Schürzen auf historischem Stoff aus reiner Baumwolle, 60 bis 70 Jahre alt. Ein anderer Auftrag kam von Matthias Christian Schanzenbach, bekannt in Dresden als Hofnarr Fröhlich. Er ließ in der Coswiger Blaudruckerei ein Schlesisches Hungertuch nachdrucken, mit originalen Modeln. Es handelt von Armut, Demut, Fleiss, Reichtum Übermut und Krieg. Eine historisches Motiv, das in diesen Tagen sehr aktuell geworden ist.

Die Tradition des Kunsthandwerks ist bis heute in Sachsen lebendig. Künstlerinnen und Künstler in und um Dresden, Leipzig und Chemnitz öffnen oft ihre Werkststätten und Ateliers und geben einen Einblick in ihre Arbeit.

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Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 02. April 2022 | 08:15 Uhr

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